Es gibt Tage, da trifft einen die Erkenntnis wie ein Vorschlaghammer. So ging es mir am Freitag, als mir bewusst wurde, dass ich große Teile meines Lebens mit Warten verbringe:
Ich stehe morgens auf, wecke die Älteste und gehe in die Dusche. Ich drehe das Wasser auf und warte, bis es warm wird. Nach dem Duschen richte ich das Frühstück her und warte, ob die Große von selbst kommt oder ich wieder Gas geben muss. Wenn sie dann in letzter Sekunde aus dem Haus läuft, warte ich erst einmal, ob ich sie zur nächsten Haltestelle fahren muss. Dann schalte ich den Computer ein und warte, bis er hochfährt, um die wichtigsten Dinge zu erledigen. Danach wecke ich die beiden Kleinen und während Sohnemann eine frische Windel bekommt, warte ich, ob seine Schwester von selbst aus den Federn kriecht oder nicht. Die beiden bekommen ebenfalls Frühstück und ich warte, bis sie endlich fertig sind, um in den Kindergarten zu fahren. Wenn die Mittlere in ihrer Gruppe ist, warte ich erst einmal, wann der Kleine sich endlich wieder von der Murmelbahn losreissen kann. Wieder zu Hause sehe ich, dass noch keine neuen Mails da sind, obwohl ich dringend auf eine Druckfreigabe warte. Also kümmere ich mich erst einmal um die Wäsche und warte, bis das Bügeleisen heiß ist und schalte die Waschmaschine ein. Während des Bügelns muss ich ans Telefon, wo ich warte, bis mein Gesprächspartner nach endlosem Blabla endlich die relevanten Informationen liefert: ich muss schnellstmöglich eine Anzeige gestalten. Also ran an den PC und gebastelt und eine Stunde später warte ich immer noch auf das benötigte Bild. Da es schon auf zwölf zugeht, sehe ich noch schnell nach der Waschmaschine und warte die letzten Minuten ab, um alles in den Trockner zu stecken. Dann warte ich, bis sich mein Sohn endlich von seinem Spielzeug losreißen kann, um die Mittlere abzuholen. Im Kindergarten angekommen warte ich erst einmal, bis sie ihr Bild zu Ende gemalt hat und dann, bis sie die Schuhe anhat und dann, bis der Kleine die Murmelbahn auslässt. Danach karre ich alle nach Hause und stelle das Wasser für die Nudeln auf den Herd. Ich warte, bis es kocht, werfe die Nudeln rein und wärme die zum Glück gestern vorgekochte Tomatensauce auf. Dann decke ich den Tisch und warte, bis die Große nach Hause kommt. Während des Essens warte ich vergeblich auf die Erkenntnis, dass Tischmanieren kein überflüssiger Quatsch sind. Dann warte ich, bis auch die Kleinen endlich ihre Teller geleert haben und gehe zum Abspülen. Ich bitte die Große abzutrocknen, die natürlich dringend auf die Toilette muss, mache es nach einiger Warterei aber doch selber. Danach könnte ich mich um den nächsten Wäscheberg kümmern, allerdings ist das Bild jetzt da und die Druckfreigabe auch. Also werden erst noch die Anzeige und die Druckdaten verschickt, bevor ich vom Jüngsten so traktiert werde, dass ich mit ihm zum Spielen gehe, er wartet nämlich nie. Dann warte ich, bis er so weit ist, wieder alleine zu spielen, weil die Große Hilfe bei den Hausaufgaben braucht, sie wartet nämlich auch nur selten. Zwischenzeitlich kommt mein Mann nach Hause und ich warte, bis er den Vier-Uhr-Dreißig-Ritual-Kaffee gemacht hat, um mich mit ihm wenigstens eine Tasse lang zu unterhalten. Erschrocken stelle ich danach fest, dass es bereits Zeit ist, die Mittlere für ihr Karate-Training anzuziehen. Ich schicke sie ihren Anzug holen und warte, ob sie zwischendurch irgendwo hängenbleibt oder den direkten Weg nimmt. Dann fahre ich zum Training und warte, bis es vorbei ist, um sie wieder nach Hause zu fahren. Endlich wieder zurück versuche ich, den Wäscheberg zu dezimieren und warte erneut auf die Bügeleisenhitze. Ich schaffe den Teil vom Vortag, während mein Mann im Garten werkelt, dann braucht er meine Hilfe. Ich halte die Wasserwaage und warte, bis er alles eingerichtet hat. Ein Blick auf die Uhr sagt, dass es jetzt Zeit ist, die Große ins Training zu fahren. Ich schicke sie zum Umziehen, warte, bis sie kommt und dann fahre ich sie nach unten. Schnell wieder nach Hause geflitzt, jetzt wird Essen gekocht. Ich warte, bis die Kartoffeln so weit sind, dass ich das Fleisch in die Pfanne werfen kann. Dann fährt mein Mann die Große abholen, während ich die hungrigen Kleinen hinhalte, weil ich auf das Eintreffen der restlichen Familie warte. Bis diese da ist, sind die Kleinen im Spielzimmer verschwunden. Ich rufe sie und warte, bis sie zum Essen kommen. Inzwischen ist mein Mann verschollen und wir warten, bis auch er wieder auftaucht. Dann wird gegessen und wiederum gewartet, bis alle fertig sind, um wieder sauber zu machen. Danach dürfen sie noch Fernsehen und ich warte, bis der Film aus ist, um ihnen die Schlafanzüge anzuziehen. Wenn sie dann endlich alle in ihren Zimmern sind, was gerade am Freitag einige Wartezeit beansprucht, gehe ich nach unten, ignoriere den restlichen Wäscheberg, steige ungerührt über die Spielzeughaufen und setzte mich aufs Sofa. Ich muss nicht lange warten, bis mein Mann einschläft und warte vergebens auf ein sehenswertes Programm. Und plötzlich durchzuckt es mich wie ein Blitz: ich bin allein.
Wie schön.
Dann wartet jetzt endlich jemand anderes auf mich: mein Strickzeug.